Die Anzucht mit Samen sowie die Aufzucht von Stecklingen und Jungpflanzen wirft bei dem einen oder anderen Gartenbesitzer folgende Fragen auf: Reicht herkömmliche Blumenerde aus oder ist ausschließlich auf Aussaat- bzw. Anzuchterde zu vertrauen? Was ist der Unterschied zwischen der Aussaat- und der Anzuchterde? Welche Erde ist zur Anzucht der jungen Pflanzen besser geeignet? Gibt es die Möglichkeit, Aussaat- oder Anzuchterde im „Do-it-yourself“-Verfahren herzustellen? Worauf ist allgemein zu achten?
Und diese Fragen sind sehr wichtig, wenn Sie sicherstellen wollen, dass sich die jungen Neulinge bestens entwickeln und später den gewünschten Ertrag erbringen oder prachtvolle Blüten entwickeln.
Anzucht- oder Blumenerde?
Es ist eine Naturgegebenheit, dass bei Mensch und Tier sowie Fauna und Flora je nach Wachstumsphase unterschiedliche Nahrungsbedürfnisse vorhanden sind. So werden Neugeborene nicht mit Steaks gefüttert und Jungpflanzen vertragen einen Boden mit hohem Düngegehalt eher schlecht. Die zarten Pflanzen haben bei einem hohen Nährstoffgehalt keine Veranlassung, das Wurzelwerk angemessen auszubilden. So mag es Ihnen durchaus gelingen, mit Blumenerde Jungpflanzen aufzuziehen. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob sich diese dann wirklich gut entwickeln. Wie formulierte es Peter Lustig in seinen Löwezahn- bzw. Pusteblumen-Sendungen immer so schön? “Kann – muss aber nicht“.
In aller Regel ist der in der Blumenerde enthaltene Dünger eher ein Hemmnis für die Entwicklung. Insbesondere die darin vorzufindenden mineralischen Salze sind für die Wurzeln sehr scharf. Im schlimmsten Fall gehen die zarten Pflanzen daran zugrunde. Gleiches gilt für die Anzucht mit Samen. Diese gilt es zum Keimen zu animieren. Das geht nur – neben den geeigneten Standortvorraussetzungen – mit gezielter Pflege. Zu dieser gezielten Pflege gehört eben auch die richtige Erde.
Die richtige Erde
Die Anzucht und Aussaat unterliegt anderen Voraussetzungen als es die gestandenen Pflanzen erfordern. Bei ausgewachsenen Pflanzen steht die Versorgung mit Nährstoffen im Vordergrund. Dies gelingt mit der richtigen Erdmischung sehr gut. Darüber habe ich bereits ausführlich in dem Beitrag „Pflanz-, Pflanzen- oder Blumenerde – aber bitte torffrei“ berichtet.
Während bei der Pflanz-, Pflanzen- oder Blumenerde die Bezeichnung nur eine untergeordnete Rolle spielt, finden Sie im Handel Erdmischungen, die die Aufschrift Anzucht- und Aussaaterde tragen. Die Begriffe Anzucht-, Aussaat-, Pikier- oder Vermehrungserde werden für diese speziellen Erdmischungen gleichermaßen verwendet. Diese Erden haben durchaus ihre Berechtigung, sofern sie die folgenden Kriterien erfüllen:
- lockere, feinkrumige Erde
- keim- und saatfrei
- nährstoffarm, ohne mineralische Salze
- frisch, weder zu trocken noch zu nass
- gut durchlässig, fähig Wasser zu speichern.
Nur in feinkrümeliger, lockerer Erde sind die zarten Wurzeln in der Lage, sich angemessen auszustrecken. Verschiedene Organismen, Pilzsporen und Keime breiten sich in der Erde sehr schnell aus und richten wirklichen Schaden an. Auch die Samen z. B. von Wildkräutern in der Erde führen zu einer Behinderung des Wachstums. Die jungen Wurzeln wollen motiviert werden, sich auszustrecken. So enthält die Aussaaterde sehr wenige Nährstoffe und die Wurzeln sind gefordert sich anzustrengen, um an Nahrung zu kommen. Sie verzweigen mit einem kräftigen Wurzelwerk. Da alte modrige Erde sicher nicht die richtige Umgebung für die jungen Pflanzen sein kann, erklärt es sich von selbst, warum frische Erde ganz ohne Staunässe benötigt wird. Gute Durchlässigkeit bedeutet für die Pflanzen eine gleichmäßige Wasserversorgung.
So schaffen Sie die allerbesten Voraussetzungen für ein gesundes und kräftiges Wachstum Ihrer Keimlinge bzw. Stecklinge. Die Pflanzen werden es Ihnen später mit einem guten Ertrag und schönen Blüten danken.
Der Testsieger und die Handelsware
Dennoch gilt es gerade bei der Handelsware, auf die genauen Bestandteile zu achten. Sehr häufig werden Sie neben Sand, Mineralien oder pflanzenverfügbare, lösliche Nährstoffe auch zu einem recht großen Anteil die Verwendung von Torf vorfinden. Dies gilt auch für den von der Stiftung Warentest zum Testsieger gekürten Hersteller, die Pflanzen-Kölle Gartencenter GmbH & Co. KG aus Heilbronn. Das Produkt trägt die Bezeichnung – Kölle’s Beste Pflanz-Erde – und besteht aus einer Kombination ausgesuchter Torfe und Tonmineralien. Der Hersteller betont, dass es sich um einen nachhaltigen Torfabbau handelt. Nach dem Abbau soll die Möglichkeit bestehen, durch Wiedervernässung und Renaturierung ein lebendes Moor wieder herzustellen. Ob Ihnen dieser Hinweis bei dem sehr sensiblen Thema Torfabbau genügt, das können Sie nur für sich selbst entscheiden.
Natürlich ist es einfacher, bereits fertiggestellte Aussaaterde zu kaufen. Das spart Zeit und Sie benötigen keinerlei Vorkenntnisse. Allerdings kann es sein, dass Sie bei manchen Produkten auch eine Enttäuschung erleben. Immer wieder finden Sie Hinweise und Beschwerden von Käufern dieser Produkte, die mit Schimmel, Trauermücken und Wildwuchs zu kämpfen hatten. Denn nicht immer ist in der Verpackung auch drin, was außen als Inhalt beschrieben wird. Dies gilt insbesondere bei minderwertigen Qualitäten. Wenn Sie also Anzuchterde kaufen, dann achten Sie bitte unbedingt auf das Qualitätssiegel der landwirtschaftlichen Forschungs- und Untersuchungsanstalt. Diese Erden sollten mit großer Wahrscheinlichkeit keimfrei sein.
Anzucht- oder Aussaaterde selber herstellen
Wenn Sie allerdings ganz sicher sein und kein Risiko eingehen wollen, dann stellen Sie Ihre Anzuchterde selber her. Schwer? Ist es gar nicht!
Sie werden erstaunt sein, wie viele Eigenkompositionen tatsächlich die gewünschten Ergebnisse bringen. Denn wie beim Kochen gibt es auch bei den Erd-Mixturen verschiedene Rezepturen, die von ganz subjektiven Präferenzen abhängen. Als Grundrezept gilt: 1/3 Gartenerde, 1/3 reifen Kompost oder Bokashi, 1/3 Sand mit den zahlreichen, verschiedenen Abwandlungen. Als Zugaben sind Gesteinsmehl, Holzkohle und evtl. Hornspäne möglich. Anschließend gut durchsieben und durchmischen. Je feinkrumiger die Beschaffenheit des Substrats, desto besser finden Keim- und Setzlinge darin Halt.
Und dann folgt eine Maßnahme, bei der so mancher befürchtet, für immer aus der Küche verbannt zu werden: Das Erhitzen der Mischung im Backofen oder in der Mikrowelle. Hinsichtlich der Dauer des Sterilisierungsprozesses gibt es unterschiedliche Empfehlungen. So lauten Vorschläge, die Erde 30 Minuten lang bei 120° C im Backofen zu erhitzen. Es gibt auch die Varianten, die Erde bei 180° C bis zu 45 Minuten oder in der Mikrowelle bei 800 Watt für 10 Minuten zu erhitzen. Ich persönlich habe gute Erfahrungen mit dem Backofen bei 180° C und ca. 30 Minuten gemacht. Welche Variante Sie auch immer wählen, anschließend muss die Erde gut auskühlen. Im Gegensatz zur Sterilisierung von Blumenerde macht das Erhitzen der Anzuchterde Sinn, da diese Erde komplett von Keimen, Sporen und anderen Schädlingen befreit werden soll. Mit der Sterilisierung der Erde beugen Sie unliebsamen Erkrankungen vor.
Pflanzeneinteilung und Rezepturen
Die richtige Rezeptur für Ihre Aussaaterde hängt natürlich von den Pflanzen ab, die Sie aufzuziehen wünschen. So gibt es unterschiedliche Zusammensetzungen für die Erden in Abhängigkeit davon, ob es sich bei den Pflanzen um Stark-, Mittel- oder Schwachzehrer handelt. Somit ist es nicht erforderlich, immer alle Zutaten für die Anzuchterde zu vermengen. Ein Hinweis sei in diesem Zusammenhang erlaubt: Die Einteilung der Pflanzen ist relativ ungenau und die Grenzen zwischen den unterschiedlichen Kategorien sind fließend. Hinzu kommt, dass eine solche Zuordnung nicht für jede einzelne Pflanze vorhanden ist und auch Untersorten stark voneinander abweichen können. Vertrauen Sie daher eher Ihren eigenen Erfahrungswerten. Die folgende Aufzählung erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit und soll auch nur der Orientierung dienen.
Zu den Starkzehrern zählen u. a.:
Auberginen, Chrysanthemen, Erdbeeren, Geranien, Karotten, Kartoffeln, Kopfkohl, Lauch, Möhren, Obstbäume, Paprika, Rhabarber, Rote Bete, Sonnenblumen, Spinat oder Zucchini.
Unter den Mittelzehrern finden Sie z. B.:
Beerenobst, Bohnen, Dahlien, Erbsen, Fenchel, Gloxinien, Gurken, Kohlrabi, div. Kräuter, Kürbis, Mangold, Melonen, Porree, Rettich, Rhododendren, Rosen, Salate, Sellerie, Tomaten, oder Zwiebeln.
Einige Schwachzehrer zu guter Letzt:
Azaleen, Begonien, Gartenkresse, Kosmeen, div. Kräuter, Petersilie, Petunien, Portulak, Primeln, Radieschen, Stiefmütterchen.
Erdmischungen ohne Torf
Es handelt sich um meine persönlichen Vorschläge. Natürlich sind noch viele weitere Variationen mit anderen Materialien möglich. Ich entscheide mich gerne für Erdmischungen ohne Torfanteil und nutze vorhandene Alternativen wie eben Sphagnum-Moos, Kokohum oder Holzfasern.
Sphagnum-Moos
Sphagnum Moos findet einmal Verwendung zur allgemeinen Verbesserung der Wasserspeicherkapazität von Böden und auch als Torfersatz in der Blumenerde.
Mittlerweile gibt es auch in Deutschland Versuchsflächen für kultivierte Torfmoose. Es handelt sich bei der Torfmooskultivierung um den Anbau von Torfmoosen (Sphagnum) zur Produktion und Ernte von Torfmoos-Biomasse. Dabei wird Torfmoos als neue landwirtschaftliche Kulturpflanze etabliert, um einen nachwachsenden Rohstoff zur Herstellung von hochwertigen Kultursubstraten für den Gartenbau zu gewinnen.
Kokohum
Eine Alternative ist Kokohum, ein torffreies Kultursubstrat aus getrockneten Feinfasern der Kokosnuss. Es besteht somit aus einem nachwachsenden Rohstoff. Kokohum besitzt eine hohe Struktur- und Faserfestigkeit sowie ein sehr gutes Wasserhaltevermögen. Der hohe Luftanteil sorgt für kräftiges Wurzelwachstum. Außerdem hemmt Kokohum den Schimmelbefall.
Dieses Kokosfasersubstrat wird im Handel als Brikett oder Ziegel angeboten, das unter Zugabe von (warmen) Wasser aufquillt und ein großes Volumen (bis zum 6fachen) erreicht.
Holzfasern
Die Eigenschaften von Holz- und Kokosfasern ähneln sich sehr. Genau wie Kokohum sind sie ebenfalls nährstoffarm, aber zersetzen sich sehr schnell. Holzfasern haben genau wie Torf einen niedrigen pH Wert.
Allerdings ist unbedingt darauf zu achten, dass die Holzabfälle von unbehandelten Materialien stammen.
Zugaben
Zur Vorbeugung gegen Krankheiten und Pilzbefall eignen sich geringe Zugaben von Algenkalk, Hornspänen, Holzkohleasche oder Gesteinsmehl. In diesem Zusammenhang werden auch immer wieder die effektiven Mikroorganismen (EM) genannt. Dabei handelt es sich um eine spezielle Mischung von Mikroorganismen, die vor etwa 30 Jahren auf Okinawa (Japan) entwickelt wurde. Alle Mikroorganismen werden vor Ort in der Natur gesammelt und speziell gezüchtet. Effektive Mikroorganismen sollen die regenerativen Prozesse unterstützen und fäulnisbildende Prozesse unterdrücken.
Die weiteren Zutaten
Kompost
Anzuchterde soll nur wenige Nährstoffe enthalten. Idealerweise verwenden Sie dafür den Kompost aus dem eigenen Garten. Ein Kompost – richtig angelegt – verwandelt sich in gehaltvollen Humus, der die Pflanzen mit Stickstoff, Kalium, Magnesium und Phosphor versorgt.
Rindenhumus
Rindenhumus entsteht durch die Kompostierung von Nadelholzrinden. Dieser Humus lockert und lüftet den Boden, versorgt die Pflanzen mit allen wichtigen Haupt- und Spurennährstoffen und reichert den Boden mit humusbildenden Bakterien an. Darüber hinaus wirkt sich Rindenhumus stabilisierend auf die Struktur des Substrats aus. Die Durchlässigkeit der Erde wird dennoch nicht behindert.
Sand
Der Sand dient hauptsächlich als günstiger Füllstoff und hilft dem Boden eine gute Struktur zu geben. Er enthält keine Nährstoffe und verrottet nicht. Außerdem ist Sand chemisch inert. Das bedeutet, dass Sand untätig ist (nimmt nichts auf und gibt nichts ab). Sand hält Luft und beugt Staunässe vor. Insgesamt verbessert der Sand die Struktur der Erdmischung.
Der Kressetest
Sie sind sich nicht sicher, ob das Sterilisieren überhaupt erforderlich ist? Zumal Sie vor der Herausforderung stehen, eine große Menge Erde in den Backofen zu geben. Dann machen Sie einfach den beliebten Kressetest. Dieser wird u. a. auch dann durchgeführt, wenn es gilt, Schadstoffe in der Luft nachzuweisen oder den Reifegrad des Komposts festzustellen. Dazu nehmen Sie eine Probe Ihrer Mischung und säen darauf Kresse aus. Verfügen Sie über gesunde Aussaaterde, dann keimt die Kresse innerhalb von 3 Tagen. Es entwickeln sich innerhalb einer Woche weiße, gesunde Wurzeln. In diesem Fall können Sie auf die Sterilisierung verzichten. Zeigt Ihnen der Kressetest, dass die Mischung nicht den Anforderungen entspricht, sollten Sie im eigenen Interesse den Backofen „missbrauchen“.
Fazit
Mit der Verwendung von qualitativ hochwertiger Anzucht- bzw. Aussaaterde bieten Sie den Samen und Keimlingen die besten Voraussetzungen für ein gesundes und kraftvolles Wachstum. Gesunde Pflanzen sind auch viel weniger anfällig für Krankheiten. Die Entscheidung für Anzucht- bzw. Aussaaterde ist auf jeden Fall schon einmal eine richtige Entscheidung.
Wählen Sie den einfachen Weg, dann kaufen Sie bereits fertig gemischte Erde im Handel. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass Sie den Angaben der Hersteller vertrauen und etwaige Enttäuschungen hinnehmen müssen. Wenn Sie über die Zusammensetzung der Mischung entscheiden wollen, dann stellen Sie die Erdmischung selber her. Damit haben Sie auch viel mehr Variationen zur Verfügung, um die Zutaten auf die Bedürfnisse der zu kultivierenden Pflanzen abzustimmen. Dies wird dem Wachstum und der Qualität des Ertrages entgegenkommen.
Sie werden überrascht und begeistert sein, wie einfach Anzucht- und Aussaaterderde in allerbester Güte herzustellen ist. Das macht Spaß und vermittelt ein gutes Gefühl!